Grenzenloses Grabfeld Station 05 Das Grünes Band - vom Todesstreifen zur Lebenslinie
Am Weikers, 97633 Trappstadt, Deutschland
Grenzenloses Grabfeld Station 05
Das Grünes Band - vom Todesstreifen zur Lebenslinie
Fast 40 Jahre lang war Deutschland geteilt. Sperrzonen, hohe Mauern, Stacheldraht, Wachtürme, Minenfelder, Selbstschussanlagen und später Wachhunde sollten dafür sorgen, dass möglichst kein menschliches Wesen von der einen auf die andere Seite gelangt. Ein Desaster für die Menschheit, eine Verschnaufpause für die Natur.
Vom Todestreifen zur Lebenslinie
Luftaufnahme des hier leicht zu identifizierenden Grünen Bandes zwischen dem Landkreis Coburg (Bayern) und dem Landkreis Sonneberg (Thüringen), Bild von Lubikl, CC BY-SA 3.0 de
Eine Verschnaufpause deshalb, weil der Bereich entlang der Innerdeutschen Grenze zwischen der endgültigen Abriegelung, Befestigung und militärischen Sicherung durch die DDR im Jahr 1952 und dem Fall der Mauer 1989, fast 40 Jahre lang beinahe unberührt blieb. Grund hierfür war der militär-strategisch gewählte Aufbau der Grenzanlage.
Die eigentliche Staatsgrenze zwischen BRD und DDR bestand aus Grenzsteinen in der Landschaft. Die erste Sperranlage, die die Grenze der DDR „sicherte“, war ein Metallgitterzaun mit Stacheldraht, der leicht ins Landesinnere zurückversetzt verlief: Die Entfernung zwischen diesem Zaun und der tatsächlichen Staatsgrenze variierte je nach Landschaft zwischen 10 und 100 Metern. Somit entstand ein schmaler Streifen, den die DDR als "Vorgelagertes Hoheitsgebiet" bezeichnete. Dieses wurde in der Regel von Gehölzaufwuchs befreit und sogar ein- bis zweimal jährlich gemäht, um für die Grenzsoldaten ein gutes Sichtfeld in Richtung Westen zu schaffen.
Merkblatt für Besucher der Zonengrenze - Seite 2, gemeinfrei
Auf den ersten Metallgitterzaun folgte in etwa fünf bis zehn Meter Entfernung ins Landesinnere ein Kfz-Sperrgraben und anschließend ein sechs Meter breiter Spurensicherungs- oder Kontrollstreifen an dem der Kolonnenweg entführt. Der Spurensicherungsstreifen wurde durch maschinelles Eggen, Harken per Hand oder Herbizide frei von Pflanzenbewuchs gehalten.
Grenzsperranlagen am Grenzdenkmal Hötensleben © andi-h / PIXELIO
Wieso aber nun „grünes Band“?
Durch den spezifischen Aufbau der Grenze und das jahrzehntelange Unterdrücken einer Verbuschung durch die DDR entstand von den Dünen der Ostsee bis in das Fichtelgebirge im Dreiländereck Bayern/Sachsen/Tschechien ein schmaler Streifen aus zahlreichen Offenlandbiotopen, die einer Vielzahl an darauf spezialisierten Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum boten. Sie wurden zu einem Rückzugsgebiet für viele vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten, in einer Zeit, in der die Intensivierung der Landwirtschaft sowie die Verwendung chemischer Insekt- und Herbizide immer stärker zunahm. Zwischen der ehemaligen Staatsgrenze BRD/DDR und dem Kolonnenweg entstand entlang der 1.400 Kilometer langen Grenze somit ein „grünes Band“ mit einer Breite zwischen 50 und 200 Metern und einer Gesamtfläche von etwa 177 Quadratkilometern. Das Grüne Band stellt damit heute den größten Biotopverbund Deutschlands dar. Auf seinen Flächen mit den dazugehörigen über 150 Naturschutzgebieten kommen mehr als 1200 in Deutschland bedrohte Arten vor.
Wie das „Grüne Band“ zum Grünen Band wurde
Das Wissen um die Arten- und Lebensraumvielfalt in der Grenzregion stammte bereits von naturschutzfachlichen Untersuchungen aus der Zeit, in der die innerdeutsche Grenze noch bestand. Die Idee des Grünes Bandes keimte jedoch nicht am Verhandlungstisch einer Regierung oder Naturschutzorganisation, sondern mehr oder weniger im Kinderzimmer von Kai Frobel. Aufgewachsen im oberfränkischen Hassenbach einen Steinwurf von der ehemaligen Grenze entfernt, erklärt der heutige Artenschutzreferent des BUND Naturschutz in Bayern e.V. und Leiter des BUND-Projektes „Grünes Band Deutschland“ die Idee wie folgt:
„Mein Heimatort lag im Landkreis Coburg und war auf drei Seiten von DDR-Grenze umgeben - ich konnte von meinem Kinderzimmerfenster auf die Grenze schauen. Ich war biologisch interessiert und habe mich vor allem mit Ornithologie, also mit Vogelbestimmung, beschäftigt. Wenn ich aber in dieser damals schon ausgeräumten bayerischen Landschaft mit seiner intensiven Landwirtschaft seltene Arten entdecken wollte, dann waren die alle in diesem Grenzstreifen zu finden. Diese Schatzkammer des Artenreichtums war ausgerechnet an dieser scheußlichen innerdeutschen, menschenverachtenden Grenze.“ Kai Frobel in einem Interview mit der Deutschen Welle im Jahr 2017.
Kai Frobel vom BUND an der ehemaligen innerdeutschen Grenze bei Mitwitz © BUND Deutschland
Erste professionelle Kartierungen der Vogelwelt an der innerdeutschen Grenze wurden bereits zwischen 1975 und 1979 vom BUND Naturschutz in Bayern e.V. durchgeführt. In der DDR wurde Jugendlichen in den 1980er Jahren unter Aufsicht von Vertretern des Ministeriums für Staatssicherheit erlaubt, die Artenausstattung im Raum östlich der Grenze zu erkunden.
Unmittelbar nach dem Fall der Mauer, am 12. Dezember 1989, trafen sich dann bereits ca. 400 Natur- und Umweltschützer aus Ost und West im oberfränkischen Hof, um möglichst schnell über das weitere Vorgehen, rund um die wertvollen Flächen entlang der gesamten Grenze, zu beraten. Immerhin bestand die große Gefahr, dass diese wieder zu Ackerland umfunktioniert und dem Pflug zum Opfer fallen könnten. Kai Frobels, bei diesem Treffen eingereichter Vorschlag, das „ökologische […] Rückgrat Mitteleuropas“ „Grünes Band“ zu nennen, wurde in die dort verabschiedete Resolution aufgenommen. Die Zusammenkunft gilt heute als „Geburtsstunde des Grünen Bandes“.
Nach weiteren Jahren des intensiven Einsatzes des BUND für den Erhalt und Ausbau des Grünen Bandes in Deutschland, wird am 15. Oktober 2002 dessen Schutz schließlich in den Koalitionsvereinbarungen von SPD und Bündnis90/Grüne erstmals offiziell festgeschrieben. Drei Jahre später wird das Grüne Band von der neuen Regierung auch erstmalig als Nationales Naturerbe eingestuft.
Wer die Schönheit des gesamten Grünen Bandes auch noch in bewegten Bildern sehen möchte, dem empfehlen wir nachfolgenden Imagetrailer zum Grünen Band vom BUND Deutschland:
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