Das Vermächtnis des letzten Ritters Station 03: Der Landschaftspark Bettenburg
Manau, 97461 Hofheim in Unterfranken, Deutschland
Station 03:
Der Landschaftspark Bettenburg
Unmittelbar nachdem Christian Truchseß 1789 seinen Militärdienst beendet und seine Bettenburg bezogen hatte, begann er voller Tatendrang und geleitet von der Idee, sich nun völlig dem Humanismus widmen zu können, mit den Planungen für einen Landschaftspark. Die Idee: anders als die französischen Gärten der europäischen Herrscherhäuser jener Zeit, mit ihren strengen symmetrischen Formen und der Zurschaustellung von Macht und Reichtum, sollte sein Landschaftspark eher im Stil eines englischen Landschaftsgartens errichtet werden. Die romantisierte Inszenierung der Natur sollte ihm, seinen Freunden aber auch der örtlichen Bevölkerung als Ort der Erholung dienen, an dem sie Trost finden und Kraft schöpfen konnte.
Von Beginn an als romantische Ruine erbaut: die „Alte Burg“ im Landschaftspark Bettenburg © Folker Bergmann
Im nördlichen Gegenhang seiner Bettenburg, in einem wunderschönen Buchenwald voller Bachtäler und verwunschener Wege entstand daraufhin der noch heute erhaltene circa 5 Hektar große Landschaftspark. Zusammen mit Schloss Bettenburg bildet der Park eine Einheit und ist als zusammenhängendes Naturdenkmal geschützt. Anders als das Schloss, das mittlerweile als Seminarzentrum genutzt wird, ist der Landschaftspark frei zugänglich. Ein circa 1 km kurzer Abstecher führt von unserer Route direkt zum Park, in dem man unverhofft auf Bauten und Denkmäler der Ritterromantik trifft.
Lage des Landschaftspark gegenüber von Schloss Bettenburg und Verlauf der Radtour © eigene Dartstellung basierend auf OpenStreetMap (OSM)
Gartenkunst trifft Zeitenwende
Eine Gartenlandschaft wie die im Landschaftspark Bettenburg gilt als beeindruckendes Zeitzeugnis für eine Epoche an der Schwelle von der Aufklärung zur Romantik. Über 20 Jahre plante, entwarf und baute Christian Truchseß an seinem Park. Dabei erhielt er jedoch tatkräftige und prominente Unterstützung vom Kieler Professor Christian Cay Lorenz Hirschfeld (1742-1792). Dieser verfasste die erste deutschsprachige Schrift über die „Theorie der Gartenkunst“. Sowie Daniel August Schwarzkopf (1738-1817), den Hofgärtner und Garteninspektor der Landgrafen Friedrich II. und Wilhelm IX. von Hessen-Kassel. Ihn lernte der Baron ebenfalls in Kassel persönlich kennen. Schwarzkopf wurde insbesondere durch seine Umgestaltung des Bergparks Weißenstein in Kassel (die heutige Wilhelmshöhe) berühmt. Seit 2013 zählt der Bergpark mit den historischen Wasserspielen sogar zu den UNESCO‐Weltkulturerbe‐Stätten.
Blick über das UNESCO Weltkulturerbe Bergpark Weißenstein mit seinen großen Kaskaden auf Kassel | Quelle: Pascal Matthäus Lizenz: CC BY-SA 4.0
Zusammen mit diesen beiden Genies der damaligen Gartenkunst sollte so zwischen 1789 und 1911 ein „sanft-melancholischer und romantischer“ Park, ganz nach Hirschfelds Vorstellung entstehen: „Das verschlungene Ineinandergreifen von starrer, allmählich verwitternder Kultur (Statuen, Denkmäler, Ruinen, Gebäude, etc.) und bewegter, niemals rastender Natur (Pflanzen, Gewässer, Wolken, Tiere, etc.), führt, sofern in Harmonie geschehend, zum erhabenen Eindruck eines sanft-melancholischen Gartens. Dieses zu erreichen, sei zugleich auch das Hauptziel des Architekten und Erbauers.“
Das Ritterdenkmal im Landschaftspark Bettenburg lässt erahnen, wie der sanft-melancholisch Eindruck aussehen sollte © Folker Bergmann
Neben der natürlichen Umgebung, wurden entlang der geschickt labyrinthartig angelegten, schmalen Wege des Landschaftsparks nicht nur über 20 Rastplätzen aufgestellt, die zudem zum Verweilen und Genießen einladen sollten, sondern auch noch diverse Denkmäler und „Gebäude“ errichtet, die die vergangenen Zeiten der deutschen Reichsritter romantisierend verklären:
- Die von Beginn an als Ruine geplante „Alte Burg“, die eine Abbildung der Bamberg Altenburg darstellt
- Das steinerne Ritterdenkmal, das der Baron der Freundschaft der beiden Ritter Götz von Berlichingen und Franz von Sickingen in Johann Wolfgang Goethes Drama „Götz von Berlichingen“ widmete
- Ein steinerner Obelisk, der an den Mut des Humanisten Ulrichs von Hutten erinnert.
- Das Dichterhaus, in dem Poet Friedrich Rückert oft seine Einfälle zu Papier gebracht haben soll.
Das Dichterhaus steht noch einmal etwas Abseits des eigentlichen Landschaftsparks, besticht aber durch seine perfekte Sichtachse auf die Bettenburg © Julia Wagner
- Die baumstammähnliche Säule der Geschwisterliebe ist Verwandten des Barons gewidmet.
- Die Totenkapelle ließ er in Erinnerung an verstorbene Familienmitglieder und Freunde errichten.
- Der Minnesängerplatz ist das vielleicht berühmteste (und be-rüchtigste) der gesamten Anlage und besteht aus einer Tribüne mit treppenartig gestuften Seitenwänden und einer Rückwand. Sie bot den kreativen Gästen des Barons die Gelegenheit, Kostproben ihrer Gedichte den Gästen der Tafelrunde vorzutragen. Der Minnesängerplatz wird übrigens auch heute noch für Waldkonzerte genutzt!
Der berüchtigte Minnesängerplatz im Landschaftspark Bettenburg | Quelle: Stephan van Helden Lizenz: CC BY-SA 4.0
Weitere und ausführliche Informationen zur Entstehung, Ausstattung und Entwicklung des Landschaftspark Bettenburg finden Sie in dem Buch „Vielfalt und Wandel im Landschaftspark Bettenburg“ von Reinhard Schneider, u.a. erhältlich in der Tourist Information in Hofheim. In dem aufwändig recherchierten und vielfach bebilderten Dokumentationswerk beleuchtet Reinhard Schneider auf 230 eindrucksvollen Seiten die Gartenkunst der damaligen Zeit und des Landschaftsparks Bettenburg im Speziellen.
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