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Das Vermächtnis des letzten Ritters Station 05: Das Vermächtnis des letzten Ritters

Friesenhausen, 97491 Aidhausen, Deutschland

Station 04:
Das Vermächtnis des letzten Ritters

Kirschenbaron 

Tausende kleine Kirschblüten kleiden den Haßbergtrauf im Frühjahr in ein weißes Kleid | Quelle: Dirtsc Lizenz: CC-BY-SA-3.0 DE

 

Von Friesenhausen aus kann man sie sehen: Hänge voller Obstbäume rund um die Bettenburg am perfekt nach Südwesten ausgerichteten Trauf der Haßberge. Im Frühjahr strahlen sie in blütenweißem Gewand, im Sommer und Herbst locken die reifen Früchte von Birnen, Äpfeln und Kirschen. Auf diesen Wiesen war es auch, auf denen Christian Truchseß von Wetzhausen eine seiner weiteren Leidenschaften ausgelebt hat: die Kirschenzucht. Eine ungewöhnliche Passion, die ihm in der Bevölkerung auch den Spitznamen „Kirschenbaron“ einbrachte.

Zum einen inspirierte ihn die Bekanntschaft mit dem Kasseler Hofgärtner August Daniel Schwarzkopf, mit dem er zusammen seinen Landschaftspark plante und der in Kassel eben auch erfolgreich eine Obstbaumschule unterhielt. Zum anderen wollte der Patriarch mit dem Anbau solch edler Früchte die ärmlichen Lebensverhältnisse seiner Bauern im Haßgau verbessern. Aus dem Hobby erwuchs schließlich eine eigene Kirschbaumzucht, die ihn bis zu seinem Tod begleiten sollte. Schon bald korrespondierte der Freiherr mit den europaweit führenden Experten auf diesem Teilgebiet der Pomologie, deren vielleicht Bekanntester er jedoch schon bald selbst sein sollte. 

Die Bettenburger schwarze Herzkirsche, eine Züchtung von Christian Truchseß © Scan aus „Deutsches Obstcabinet in naturgetreuen fein colorirten Abbildungen und Fruchtdurchschnitten“ [Hrsg.] Langethal, L. E.; Jena  1861; gemeinfrei | Quelle: Open-Access-Publikationsserver der Humboldt-Universität

 

Ergebnis und Destillat seiner über 30 Jahre andauernden intensiven Beschäftigung rund um die Kirschbaumzucht, stellt der »große Bettenburger Catalog« dar, in dem 441 Sorten aufgelistet sind, die der Freiherr mit penibler Akribie systematisch klassifiziert und ausführlich beschrieben hat.

Einem breiten Publikum zugänglich wurde der Baron schließlich durch seine vollumfänglichste und bedeutendste Publikation: seinem in völliger Blindheit 1819 veröffentlichten Opus magnum »Systematische Classification und Beschreibung der Kirschensorten« ein bis heute gültiges Standardwerk der Kirschenpomologie!

Bis zu seinem Tod züchtete der Baron auch eigene neue Kirschsorten und war damit einer der ersten, der das zur damaligen Zeit überhaupt unternahm! Und so zählen auch einige noch heute angebauten Kirschsorten zu seinem Vermächtnis: die „Bettenburger Glaskirsche“, die „Bettenburger Kirsche von der Natte“ und die „Bettenburger schwarze Herzkirsche“.

Philanthropischer Landschaftsplaner

Christian Truchsess formte nicht nur den Landschaftspark, sondern half auch bei der Entwicklung der gesamten Region | Quelle: CSvBibra Lizenz: gemeinfrei

Mit der humanistischen Herangehensweise bei der Planung seines Landschaftsgartens wollte der Baron der Bevölkerung der damaligen Zeit – wie schon an Station 3 beschrieben – einen Ort der Erholung schenken, an dem sie Trost finden und Kraft schöpfen konnte. Doch auch auf andere Weise kümmerte sich um „seine“ Region: Neben seiner Kirschenzucht legt er auch einen Lehrgarten für Nutzpflanzen für seine Gärtner und die Bauern aus der Umgebung an, um der Armut der meist kleinbäuerlichen Bevölkerung im Haßgau entgegenzuwirken. Den Bauern aus Manau überließ er zudem Felder gegen eine geringe Pacht, lieh ihnen Geld und Saatgut und freute sich mit ihnen, wenn die Ernte gut ausfiel. 

Neben mehreren prominenten Nachkommen, wie bspw. dem Sohn des Herzog von Sachsen-Meiningen oder dem Hildburghäuser Prinzen Eduard, hatte Christian Truchsee zudem auch für über 100 Kinder der kleinen Leute aus dem Haßgau das Patenamt übernommen. Eindrucksvolles Zeugnis seiner Nähe zum Bürger- und Bauerntum . 

Mit seinem großzügigen Verhalten hinterließ er auf diese Weise ein deutlich positiver geprägtes Bild des Adels in der Landbevölkerung als es viele seiner Standesverwandten sowohl vor, als auch während und nach seiner Zeit taten. Er versuchte dabei wirklich das zu Leben, was er als archetypische Rittertugenden so bewunderte und zum Teil auch romantisch verklärte. Dennoch half er mit seiner Einstellung, dass ihm Adel nicht nur Vorrecht, sondern Verpflichtung war, auf vielfache Weise und hinterließ nicht nur mit dem Landschaftspark ein Vermächtnis, das bis heute in den Haßbergen zu erleben ist. 

 

Adeliger Kunstmäzen 

Ein Waldkonzert am Minnesängerplatz im Landschaftspark Bettenbrug, in Erinnerung an die Kunstleidenschaft Christian Truchsess © Deutscher Burgenwinkel e.V.

 

Mit der an Station 2 vorgestellten Bettenburger Tafelrunde und dem damit verbundenen Mäzenentum des Barons gegenüber der damaligen Dichter- und Denker-Szene hinterließ Christian Truchsess ein weiteres, wenn auch etwas schwerer greifbareres, Vermächtnis. Mit Hilfe unzähliger Korrespondenzen, seines breiten Netzwerkes und seiner Gastfreundschaft, inklusive direkter – heute würde man sagen – Feedbackrunden, wären vielleicht deutlich weniger der literarischen Schaffenswerke jener Zeit entstanden oder in Erinnerung geblieben. Und auch die Bettenburg – die heute als Wahrzeichen des Hofheimer Landes und der Haßberge gilt – wäre wohl deutlich weniger in die Geschichtsbücher eingegangen und weit weniger über die Grenzen der Haßberge hinaus bekannt geworden. 

 

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