Naturpark-Facetten Station 02 Lebensraum Weinberg
Zum Plan, 97468 Königsberg, Deutschland
Station 02
Lebensraum Weinberg
Lebenskünstler unter extremen Bedingungen
Unter der Vielzahl von Lebensräumen, die es in Deutschland gibt, sind für Naturkundler oft die von besonderem Interesse, die sich durch deutlich abweichende ökologische Rahmenbedingungen von der "Masse" abheben und auszeichnen. Weinberge - wie hier am Unfindener Kinnleitenberg, der nördlichsten Lage des Abt-Degen-Weintals - sind eine dieser relativ selten vorkommenden Lebensräume, an deren teilweise extremen Bedingungen sich nur ganz bestimmte Spezialisten aus Flora und Fauna angepasst haben.
Blick vom Kinnleitenberg auf das malerische Unfinden © Folker Bergmann
Lebensraum Weinberg
Die Natur am und im Weinberg wird insbesondere durch die meist steilen Hänge (40 - 50 Prozent Steigung sind in etwa die Regel) sowie die „dünnen“, mineralreichen Böden geprägt: Die Süd- oder Südwest-Ausrichtung sorgt für eine optimale Sonneneinstrahlung auf den Flächen, die sich so deutlich stärker aufwärmen können. Aufgrund des geringen Oberflächenbewuchses und der in (in der Regel) in Falllinie gepflanzten Reben, läuft Regen schnell ab und spült dabei Nährstoffe aus dem Boden aus. Die Folge sind trockene, nährstoffarme Böden. Diese Kombination aus hohen Temperaturen und wenigen Nährstoffen macht es in der Folge nur spezialisierten Tier- und Pflanzenarten möglich hier zu überleben. Die Weinbergstulpe bei Unfinden, oder die Schlingnattern, eine einheimische Schlangenart, sind solche seltenen Perlen der Natur.
Die Wilde Tulpe,(Tulipa sylvestris) auch Weinbergstulpe genanntist eine Pflanzenart, die zur Familie der Liliengewächse (Liliaceae) gehört | Quelle: Irmgard (Sucomo) Lizenz: CC BY-SA 3.0
Die Schlingnatter (Coronella austriaca), auch Glattnatter genannt, ist eine zur Familie der Nattern (Colubridae) gehörende, recht kleine und unscheinbare Schlangenart | Quelle: Nicolas Weghaupt Lizenz: gemeinfrei
Aber auch für viele Wildbienen- und Schmetterlingsarten bieten Weinberge ein letztes Refugium, wie das Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut (SDEI) und das Julius Kühn-Institut (JKI) in einer Langzeitbeobachtung herausgefunden haben. Über elf Jahre hinweg beobachteten Forscher die Zahl der Insekten in Weinbergen der Mosel und kamen zu erstaunlichen Ergebnissen. Über 170 Wildbienen und dutzende Schmetterlingsarten, von den 30% bzw. 50% auf der Roten Liste für gefährdete Arten zu finden sind, konnten in Weinbergen gefunden werden.
Wo der Winzer Lebensräume schafft
Eine weitere Besonderheit vieler Weinberge - in den Haßbergen insbesondere an den Steillagen im Maintal zwischen Zeil am Main und Ebelsbach - sind Trockenmauern und Steintreppen. Sie wurden teils vor hunderten von Jahren in harter körperlicher Arbeit und viel handwerklichem Geschick geschaffen. Sie zeugen noch von einem naturnahen, extensiven Weinbau ohne maschinelle Hilfe. Um die Hänge überhaupt sinnvoll nutzen zu können, wurden sie damals mit Hilfe von Trockenmauern terrassiert.
Trockenmauern und Winzertreppe im Weinberg bei Steinbach © Abt-Degen-Weintal
Damals wie heute sind Trockenmauern jedoch nicht nur ein statisches Bauwerk, sondern auch noch einmal ein ganz eigener „Lebensraum im Lebensraum“. Denn sie entwickeln sogar ein eigenes kleines Microklima, das wieder andere Arten beheimatet, womit die Biodiversität im Weinberg noch einmal ansteigt. Mauerpfeffer oder Zauneidechsen zum Bespiel nutzen die Spalten in den Mauern und profitieren von der Wärme, die die Steine speichern.
Der Scharfe Mauerpfeffer (Sedum acre), auch Scharfe Fetthenne genannt, gehört innerhalb der Familie der Dickblattgewächse (Crassulaceae) zur Gattung der Fetthennen (Sedum).| Quelle: Robert Flogaus-Faust Lizenz: CC BY 4.0
Der Weinberg ist daher - auch wenn man es erst nicht denkt - ein Biodiversitäts-Hotspot. Allerdings auch ein sehr sensibler: Denn gefährlich wird es für das Ökosystem am Weinberg, wenn Pflanzenschutzmittel überhandnehmen und Winzer keine Konkurrenz zu ihren Weinreben dulden. Davon sind die meisten Winzer jedoch längst weggekommen. Heute setzt man wieder vermehrt auf Zwischenpflanzungen und mehr Vielfalt im Weinberg. Denn die Krautschicht aus teils hoch spezialisierten Arten zwischen den Reben bringt viele Vorteile mit sich. Wasser hält sich besser auf dem Hang und die anderen Pflanzen beugen mit ihren Wurzeln der Erosion vor. Was vor allem bei Starkwetterereignissen eine große Rolle spielt, die aufgrund des Klimawandels in Zukunft auch häufiger vorkommenden werden. In Flächen ohne Pflanzenschutzmitteleinsatz können sich zudem Nützlinge wie Marienkäfer ausbreiten und den Wein mit beschützen. Umso erfreulicher also, wenn den Winzern eine intakte heimische Natur genauso am Herzen liegt wie ihr Wein.
Mehr über den Weinanbau hier in den Haßbergen erfahren Sie übrigens auf der Website des Abt-Degen-Weintals unter www.abt-degen-weintal.de.
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