Nirgends kann man den Frühling intensiver erleben als auf einer blühenden Streuobstwiese. Ein wogendes Blütenmeer, das erste Summen fleißiger Bienen und der berauschende honigsüße Duft, in dem schon die fruchtige Verheißung künftiger Genüsse mitschwingt.
Wer unter den blühenden Baumkronen von Kirschen, Zwetschgen, Birnen und Äpfeln wandelt, erlebt pures Glück. Jahrhundertelang prägten alte Streuobstwiesen Bayerns Kulturlandschaft, vor allem in Frankens kleinteiliger Landwirtschaft fanden sie viel Raum. Doch auch hier fiel seit den 1960er-Jahren fast jeder zweite Obstbaum dem Strukturwandel in Landwirtschaft und Siedlungsbau zum Opfer.
In den Haßbergen sind noch viele dieser wertvollen Lebensräume erhalten geblieben, doch auch hier verlieren sie kontinuierlich an Boden. Bis jetzt hat noch jeder Ort seinen Obstbaumgürtel. Flöge man im Frühling über die Landschaften hinweg, sähen sie aus wie Spitzenkrägen, die sich dekorativ um die Dörfer schmiegen.
Streuobst braucht Schnittpflege
Damit das so bleibt, engagieren sich Lukas Bandorf, Geschäftsführer des Naturparks Haßberge, und sein Team in vielfältigen Projekten. Ende Februar etwa boten sie in Ebelsbach Obstbaumbesitzern die Möglichkeit, die Grundlagen des Baumschnitts zu erlernen. Der kostenlose Kurs war schnell ausgebucht, ist von Bandorf vor Ort zu erfahren. Auf einer mittelgroßen Streuobstwiese im Wald soll angewendet werden, was am Vormittag im Theorieteil gelernt wurde. Michael Specht von Schlaraffenburger, einem Aschaffenburger Naturschutzprojekt, erklärt an einem Apfelbaum, wie bei einer nachträglichen Erziehung eines ungepflegten Baumes vorzugehen ist. Hoch aufmerksam haben 25 angehende Baumschneider einen Kreis um ihn gebildet. Specht beurteilt den Bestand. „Hier ist schon einiges schiefgelaufen, alle Äste zu flach.“
Schnell wird klar: Allein mit dem Anpflanzen neuer Obstbäume ist es nicht getan. Wenn die Pflege, sprich der regelmäßige Schnitt der Hochstämme ausbleibt, kümmern sie und gehen ein. Die meisten der Bäume dieser Wiese wurden vor 20 Jahren gepflanzt, anfangs gut in Schuss gehalten, aber seit einigen Jahren vernachlässigt. Streuobstwiesen sind Paradiese aus Menschenhand – und bleiben quasi lebenslang auf die Hand des Menschen angewiesen.
Arbeit, die sich unbedingt lohnt, denn diese Paradiese bieten einen hohen Erholungswert und eine Fülle einzigartiger, gesunder Geschmackserlebnisse. Sie bergen eine bombastische Auswahl alter, robuster Obstsorten. Jede davon hat ihren eigenen und sehr aromatischen Geschmack - von süß-säuerlich über würzig bis hin zu ausgefallenen Noten wie Rose oder Marzipan. Die Ebelsbacher Wiese hat etwa so wohlklingende Sorten wie Winterrambur, Champagner-Renette oder Brettacher Gewürzapfel zu bieten.
Leitäste und Baumansprachen
Doch der Reichtum von Streuobstwiesen geht weit über den Genussaspekt hinaus. Ein Mosaik aus ineinandergreifenden Habitaten macht sie zu einem Hotspot der Biodiversität. Rund 5.000 Arten finden hier ihre Nische, darunter etliche, die auf der Roten Liste stehen wie der Steinkauz oder das Große Mausohr. Außerdem bieten Bäume und naturnahe Wiese Insekten reiche Blütenweide.
Ende Februar ist von diesen Bewohnern noch nicht viel zu sehen, also volle Konzentration auf die noch kahlen Äste. „Wir brauchen drei bis vier Leitäste und stellen uns dazu die Frage: Wie soll der Baum stehen“, erklärt der Kursleiter in nachmittägliches Sonnenlicht getaucht. Er sucht nach Ästen, die im 120-Grad-Winkel emporwachsen, und wird nicht so schnell fündig. „Sie sehen schon, man muss kreativer werden, als wenn man eine Bilderbuchvariante vor sich hätte.“
Specht stellt die Baumleiter in die Krone und fragt: „Was machen wir mit der Mitte?“ Ein unscheinbar kleiner Ast wird erwählt und ein anderer ausgeschnitten, um ihn zu fördern. Die Umstehenden lernen daraus: „Der erste Schnitt ist die Referenz für alles andere.“ Der Profi steht inzwischen mit weit gespreizten Beinen auf zwei Ästen. „Super Micha, Showeinlage!“, kommentiert Bauhofleiter Norbert Schmucker den waghalsigen Stand, während Specht einen seiner Grundsätze ausspricht: „Es ist immer wichtiger, was ich drin lasse als das, was ich wegschneide.“ In dem Fall bleibt ein Ast zur Beschattung des Leitastes, um ihn vor zu starker Besonnung zu schützen. „Ihr seht, es ist ein Prozess. So tastet man sich sukzessive an die angestrebte Form ran.“
Hoch motiviert
Jetzt sind die Teilnehmer in Gruppenarbeit dran: „Sucht euch einen Baum aus, macht eine Baumansprache und erzählt mir dann euer Ergebnis.“ Am kleinsten Baum mühen sich vier Teilnehmer ab, eine Form herauszuschälen. Was sie beherzt wegschneiden, sind die „Mumien vom letzten Jahr, da gehen sonst Krankheiten rein“, wie einer erklärt. Erfahrung mit vernachlässigten Obstbäumen hat auch sein Kurskollege: „Ich hab‘ eine Streuobstwiese bei Haßfurt geerbt, an der jahrelang nichts gemacht worden ist.“ Der älteste Baum sei 60 Jahre alt, in der Mitte hohl und vom letzten Sturm gebeutelt. „Ich will ihn retten, er hat sehr gute Äpfel“, erklärt er seine feste Absicht, das Gelernte anzuwenden. Auch die anderen sind hoch motiviert. Bauhofleiter Schmucker hat die Leiter erklommen, um eine Champagner Renette in Form zu bringen. Am nächsten Baum begutachtet sein Kollege Florian Obergruber zufrieden die ersten Schnittaktionen: „Da hätten wir auch eine Superspitze.“ Fünf Naturparkmitarbeiter nehmen am Kurs teil. Sie werden die Pflege der Streuobstprojekte des Naturparks in die Hand nehmen, etwa der Neupflanzungen von 100 Bäumen im Raum Aidhausen, Königsberg und Baunach sowie der jüngst hinzugekommenen 37 Bäume in Happertshausen, inklusive der Lokalsorte „Happertshäuser Birne“.
Die Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der Streuobstwiesen werden durch verschiedene staatliche Programme gefördert, etwa durch "Streuobst für alle!" (Amt für Ländliche Entwicklung) oder durch das Kulturlandschaftsprogramm „Pflege von Streuobstbäumen“. In den Ebelsbacher Schnittkurs flossen Gelder des Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz im Rahmen des Bayerischen Streuobstpaktes. Eine Investition, die viele Früchte tragen wird.
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