Der Radweg beginnt in Ellrich – einer scheinbar stillen, kleinen Stadt am Rand des Harzes. Doch wer hier aufs Rad steigt, begibt sich auf eine Reise durch Geschichte, Natur und Kultur. Entlang des Europaradwegs EV13, dem legendären „Iron Curtain Trail“, folgt man der einstigen Grenze zwischen Ost und West – heute ein grünes Band, das Lebensräume verbindet und Geschichten erzählt.
Schon hinter Ellrich beginnt die Landschaft des Südharzes ihre stille Magie zu entfalten. Dichte Wälder, moosige Pfade und stille Kurorte wie Sülzhayn und Werna säumen den Weg, bis man Ilfeld erreicht. Hier wartet ein erstes Highlight: das ehrwürdige Kloster St. Georg, wo die Vergangenheit in alten Mauern weiterlebt.
Weiter führt der Weg durch das wildromantische Tal der Zorge. In Niedersachswerfen beginnt die Region sich zu öffnen, und schließlich erreicht man Nordhausen – die pulsierende Hauptstadt des Südharzes. Wenn im September das Tabak- und Traditionsfest beginnt, verwandelt sich die Stadt in ein lebendiges Spektakel aus Düften, Musik und Geschichte.
Südlich von Nordhausen öffnet sich die Goldene Aue – eine fruchtbare Ebene, deren weite Felder und friedliche Dörfer wie Heringen, Auleben und Steinthaleben das Auge beruhigen. In Göllingen lädt die Kyffhäuser-Therme zur wohlverdienten Pause ein – oder das monumentale Kyffhäuser-Denkmal ruft, wo Kaiser Barbarossa im Felsen zu schlafen scheint.
Der Weg windet sich nun durch die Hainleite, einen geheimnisvoll bewaldeten Höhenzug, bis nach Kindelbrück. Dort überspannt die älteste Steinbrücke Thüringens gemächlich den Fluss – ein stiller Zeuge vergangener Jahrhunderte.
Ab jetzt begleitet die Unstrut den Radfahrer – der Unstrutradweg führt durch Sömmerda mit seiner faszinierenden Industriegeschichte und dem Schlossmuseum. Ein kurzer Abstecher nach Kannawurf lohnt sich, bevor man weiter durch das weite Thüringer Becken rollt. Vorbei an Haßleben und Ringleben nähert man sich langsam Erfurt – der lebendigen Landeshauptstadt Thüringens. Die Altstadt mit Dom, Krämerbrücke und Fischmarkt ist ein historisches Juwel, das mit Charme und Kultur begeistert.
Der Weg folgt der Gera durch die Vororte Bischleben-Stedten und Möbisburg, wo das Schloss Molsdorf inmitten alter Bäume verborgen liegt. In Arnstadt – der ältesten Stadt Thüringens – klingt überall Musik: Johann Sebastian Bach wirkte hier, das Schloss Neideck und das Puppenstadtmuseum „Mon Plaisir“ erzählen von höfischem Glanz.
Durch das Tal der Gera und über die Waldrandroute erklimmt der Radweg schließlich den Thüringer Wald. Der Anstieg belohnt mit atemberaubenden Ausblicken, schattigen Wäldern und kleinen Orten wie Geraberg und Elgersburg, bevor man in Ilmenau ankommt – einer charmanten Universitätsstadt, in der Goethe selbst einst wanderte und wirkte.
Nun beginnt das nächste Kapitel: Der Ilmtal-Radweg schlängelt sich durch den dichten Thüringer Wald. In Stützerbach lohnt ein Halt am Goethe-Stammhaus. Dann geht es hinauf ins Biosphärenreservat Vessertal, über den legendären Rennsteig und hinab auf dem Schleusetal-Radweg. Der Duft des Waldes begleitet die Fahrt vorbei an der Talsperre, durch Schönbrunn und Lichtenau bis nach Waldau und schließlich zum Erholungsgebiet „Stausee Ratscher“ – ein Ort zum Verweilen.
Entlang des Flüsschens Schleuse radelt man weiter nach Schleusingen mit dem imposanten Schloss Bertholdsburg und seinem Naturkundemuseum. Nach einer kurzen Passage über eine Landstraße erreicht man Kloster Veßra. Hier verschmelzen Geschichte und Natur im Hennebergischen Museum. Der Weg zieht sich nun entlang der Werra durch ruhige Orte wie Grimmelshausen, Reurieth und Ebenhards – jede Ortschaft erzählt eine eigene kleine Geschichte, verborgen in Fachwerk und alten Gemäuern.
Schließlich erreicht man Hildburghausen mit seinem Schlosspark und Stadtmuseum – ein kultureller Höhepunkt auf dem Weg nach Süden. Nun beginnt das Heldburger Land – eine stille, fast vergessene Ecke Thüringens. Dörfer wie Leimrieth, Stressenhausen und Streufdorf wirken wie aus der Zeit gefallen. In Seidingstadt steht das wohl kleinste Bahnmuseum Deutschlands – kurios und liebenswert.
Am Ende der Reise erreicht man erneut das Grüne Band – heute ein Paradies für Flora und Fauna, einst ein Todesstreifen. Die Veste Heldburg erhebt sich majestätisch über die Landschaft, beherbergt heute das Deutsche Burgenmuseum und bildet das würdige Finale dieser bewegenden Radtour. In Lindenau endet der Weg – nicht mit einem Knall, sondern mit dem Gefühl, ein Stück Deutschland ganz neu entdeckt zu haben.