Schäfermeister Markus Stapp ist mit seiner Herde im Vorderen Odenwald zwischen Groß-Umstadt und Bad König unterwegs.
Als einziger seiner Art ist Markus Stapp im Odenwald übrig geblieben. Früher gab es zahlreiche Wanderschäfer, doch im Laufe der Jahre ist dieser Bereich der Schäferei in der Region ausgestorben. Viele Menschen verbinden mit dem Begriff „Wanderschäfer“ positive Assoziationen wie Romantik, Freiheit und Naturverbundenheit. Tatsache ist jedoch, dass dies ein schwerer und mühsamer Broterwerb ist und man davon alleine nicht leben kann.
„Ich habe mich lange geziert, mich Wanderschäfer zu nennen“, sagt Schäfermeister Markus Stapp, der jedoch mittlerweile seit 34 Jahren als solcher mit seinen Schafen durch den Vorderen Odenwald zieht. Für den Hainstädter ist dies ein Ehrentitel, da Wanderschäfer einen wichtigen Beitrag für den Naturschutz und die Landschaftspflege leisten und mit ihren Tieren die Kulturlandschaften und die dort zu findende Artenvielfalt erhalten.
Schafe prägten seit jeher das Landschaftsbild des Odenwalds. Neben den Tieren der ortsansässigen Bauern wurden Herden entlang der so genannten Schäfer- oder Handelswege durch die Region getrieben, um in den nahe gelegenen Städten verkauft zu werden. Ab dem ausgehenden Mittelalter bis ins späte 19. Jahrhundert hinein breitete sich darüber hinaus die Wanderschäferei in Süddeutschland und damit auch im Odenwald aus. Immer mehr Schäfer zogen nun – die Hochphase war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – entlang ihrer Triebwege von Weide zu Weide. Da die Wanderschäfer in der Regel kein eigenes Weideland oder nur sehr kleine Parzellen besaßen, pachteten sie von Gemeinden und Privatpersonen Flächen und nahmen wiederum Geld durch das Pferchen (Düngen von bestimmten eingezäunten Flächen mit den Schafen) sowie den Verkauf ihrer Tiere und deren Wolle ein.
„Die Zeiten haben sich sehr geändert. Schäfer zu sein, heißt zwar nach wie vor für, mit und von den Schafen zu leben, allerdings wird Letzteres immer schwieriger“, so der Odenwälder, der als Hausmeister im Kreishaus des Landkreises Darmstadt-Dieburg arbeitet und im Nebenerwerb mit seinen 250 Mutterschafen und 30 Burenziegen unterwegs ist. „Um davon leben zu können, müsste ich 800 Mutterschafe halten und 1000 Euro pro Hektar erwirtschaften. Wolle ist trotz hoher Qualität nur noch ein Abfallprodukt und auch der Lämmerverkauf bringt maximal 25 Prozent der Gesamteinkünfte“, so Markus Stapp, der bereits als Jugendlicher Lämmer von einem Wanderschäfer bekam, um diese mit der Flasche großzuziehen, und seitdem von der Schafhaltung fasziniert ist.
Coburger Fuchsschafe, Rhönschafe und Schwarzköpfe gehören zur Herde des Hainstädters, die er nach und nach weiter ausgebaut hat. Mit ihnen zieht er durch den Vorderen Odenwald und beweidet im Auftrag von Hessenforst, Industrieunternehmen, Naturschutzverbänden und Privatpersonen – teilweise um die Ziegen verstärkt, die radikaler bei der Buschvernichtung sind – unebene, ungenutzte Flächen, Naturschutz- sowie Grenzertragsflächen, Flächen der Biotopbetreuung sowie Ausgleichs- und Ersatzflächen. Je nach Jahreszeit, Wetterlage und Größe des Geländes unterscheidet sich die Verweildauer der Schafe. „Über Winter sind die Tiere meist nur einen Tag auf einer Weide, im Sommer können es bis zu fünf sein, bevor es weitergeht. Über den Sommer hinweg grasen die Schafe dann auch auf gepachteten Flächen in Breuberg, Nieder-Kinzig oder am Herrenberg“, berichtet der Odenwälder, der nach Feierabend und am Wochenende mit seinen Schafen unterwegs ist und von einer Fläche zur nächsten läuft. Mit einer Herde können im Durchschnitt vier Kilometer am Tag geschafft werden, mit trainierten Schafen sind auch bis zu zwölf Kilometer am Tag mit Pausen möglich. Unterstützt wird Markus Stapp dabei einerseits von seiner Frau und seinen zwei Töchtern. Andererseits helfen seine selbst ausgebildeten Hunde: vier Herdengebrauchshunde (Schäferhunde), die Schafe und Ziegen in Schach halten, sowie vier Herdenschutzhunde (Pyrenäenberghunde), die stets bei den Tieren bleiben.
„Es wird immer eine Woche im Voraus gearbeitet. Das heißt ich stricke zunächst die Netze und stelle diese, dann laufe ich in den folgenden Tagen mit den Schafen zur neuen Weidefläche und stelle sie dort ein“, beschreibt Markus Stapp. Der Elektrozaun hütet die Schafe dann während seiner Arbeitszeit, danach übernimmt er und schaut nach dem Rechten.
Am meisten zu tun gibt es für den Hainstädter im Mai und Juni: „Da werden die Schafe geschoren und ihre Klauen geschnitten. In dieser Zeit muss jeder Handgriff sitzen“, sagt der Wanderschäfer aus Leidenschaft, der gerne Informationen rund um seine Arbeit mit den Schafen vermittelt. Daher hatte er anlässlich der 25. Odenwälder Lammwochen vor zwei Jahren auch angeboten, dass Interessierte ihn auf einer seiner vier Trailwanderungen zum 26. Schäfertages nach Beerfelden begleiten und unterwegs Einblicke in den Schäferberuf und die Schafhaltung im Odenwald erhalten können.
Mit einem Blick in die Zukunft ist es dem Odenwälder wichtig, in der Bevölkerung für mehr Verständnis für die Weidetierhaltung mit Herdenschutzhunden zu werben: „Die Hunde sind einerseits ein Teil der Herde, andererseits sind sie Individualisten, die selbst entscheiden, was sie zum Schutz der Schafe tun müssen. Sie bellen nicht grundlos, sondern nur, wenn Gefahr droht – sei es durch ein in die Weide eindringendes Tier oder einen Menschen.“
(von Martina Emmerich)
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