erstellt am 21.02.2023
Schäferstündchen: Über die Heide hinaus – mit Schäfermeister Gerd Jahnke
Ein Schäfer mit langem Mantel und etwas weniger langem Bart, Schlapphut und Stock, eine Herde im Sonnenuntergang auf der weiten Heidelandschaft … All das bewegt sich, leicht romantisiert, im Hinterkopf, bei dem Ansinnen, über den zu schreiben, der im Zusammenhang mit der Ellerndorfer Heide, Schafen und Heidschnucken recht häufig genannt wird: Schäfermeister Gerd Jahnke. Die Realität sieht etwas anders aus.
Die Schnucken haben ihren großen Auftritt von August bis September: Da staksen sie auf ihren schmalen Hufen über Stock, Stein und Erika. Sie erledigen ihren Job als Landschaftspfleger in der Wacholderheide: Immer der Nase nach sorgen sie mümmelnd und kauend dafür, dass die Kulturlandschaft nicht vergrast und verbuscht. Gut für die Natur. Ein unglaublich friedlicher Anblick für Ausflügler. Auch Gerd Jahnke ist dann schon mal im Einsatz – mit Mantel und Hut und Stock. Wenn auch ohne Bart.
Routine statt Romantik
In den übrigen Monaten allerdings spielen die populären etwa 500 Schnucken eine Rolle unter vielen. Denn weitere 1000 Schafe fordern in der Glockenbergsschäferei in Eimke vollen Einsatz. Kein Wunder also, dass die To-Do-Liste selbst mittags noch ellenlang ist.
[…]
Ein scheinbar hektisches Gewusel, dem eine eingespielte Ordnung zu Grunde liegt: Jeder ist dort, wo er gebraucht wird. Um zu erkennen, welches der Schafe in den nächsten Tagen lammen wird, reichen ein Blick, ein kurzes Tasten. Schnell sind die Tiere auf den Anhängern verladen.
Die Steckzäune werden aufgemacht. Schäfer und Schafe ziehen auf den danebenliegenden Acker, auf dem die Zwischenfrucht ein festliches Mahl verspricht. Es herrscht gefräßige Stille. „Bis April haben wir auf den Feldern gutes Futter“, erklärt der Schäfer. Landwirte in der Region stellen ihre Äcker zur Verfügung. Die nährstoffbringenden Wurzeln bleiben unangetastet. Die Landwirte, die quasi als Gastgeber zum Mahl einladen, finden danach einen gut verdichteten Boden: eine echte Win-win-Situation.
Von Schafen lernen
Auch an anderer Stelle profitiert die Natur von den genügsamen Weggefährten. „Ende Frühjahr ziehen wir mit einer Herde auf den Deich in der Nähe von Winsen“, sagt Jahnke. Als sei das ein Spaziergang von Eimke aus. Bis zu zehn Tagen sind sie unterwegs. Schafe auf dem Deich sind mittlerweile ein vertrauter Anblick. Und nützlich obendrein. Das Gras auf den schwer zugänglichen Flächen wird kurzgehalten, und der Boden bleibt durch das Getrippel fest verdichtet. Und da heißt es immer, Schafe seien dumm. Jahnke wiedersprich vehement. „Schafe sind einfach geniale Viecher“, sagt er, lächelt und schiebt mit seiner großen Hand den Hut aus der Stirn. Er lobt ihren Orientierungssinn. „Die wissen nach Jahren noch, wo der Zuckerrübenacker war und können einen vertrauten Weg wiederfinden.“
Aus seiner Sicht ist zudem der Herdentrieb der sanftmütigen Tiere eine großartige Eigenschaft: „Ohne diesen Instinkt könnten wir Menschen gar nicht mit ihnen umgehen.“ Und lässt sich von Schafen lernen? Tatsächlich. Jahnke schmunzelt: „Wir werden auch von Unternehmen angefragt, die mit ihren Mitarbeitern kommen.“ Mit der Herde geht es raus in die Natur. Und dann? „Dann lernen die beispielsweise einen verantwortungsvollen Umgang, auch untereinander. Empathie, sich klar zu verständigen, zu reden. Was wir Menschen alles lernen müssen …“, Jahnke schüttelt verwundert den Kopf.
„Aufhören? Nein!“
Szenenwechsel. Im heimischen Stall ist das Geblöke großartig. Aus den einzelnen, offenen Verschlägen schauen vorwitzig Lämmer hervor. Die kleinen Lämmerschwänzchen wedeln – munter jedes Klischee bedienend – um die Wette. Für sie ist rund um die Uhr Fütterungszeit. Jahnke fährt mit Trecker und Futteranhänger langsam die Stallgasse hoch und runter. Die Mutterschafe – und auch Ziegen, die als Amme eingesetzt werden – warten darauf, dass Kraftfutter verteilt wird. Und dann, wenn sie an der Reihe sind und genüsslich mahlzeiten, toben die Kleinen hinter ihren Rücken ausgelassen umher.
Das ambivalente Verhältnis zwischen Mensch und Schaf zeigt sich hier. Das schwarze Schaf ist im Herdenzusammenhang super niedlich. Beim Anblick eines putzigen, kleinen Lämmchens wird gejuchzt. Der Gedanke an das klassische Ostermahl rückt in den Hintergrund. „Ja, und wenn uns die Spaziergänger auf der Heide, dem Deich oder dem Acker sehen, dann bleiben sie stehen, freuen sich, fragen interessiert nach, erzählen von früher, als noch viel mehr Wanderschäfer unterwegs waren. Wenn wir allerdings mit einer Herde über die Straßen und Wege ziehen, dann haben wir mit Autofahrern auch mal nicht so freundliche Begegnungen“, erzählt Jahnke.
Mehr Schafe, mehr Technik, mehr Bürokratie, mehr Arbeit – die Zeiten haben sich geändert. Der 57-jährige Schäfermeister, der einst mit 250 Schafen den Grundstock für seine Schäferei gelegt hat, schaut über das Gewusel im Außenbereich des Stalls, bevor sein Blick über Lieblings-Schäferhund Rambo und auf das weite Land abschweift: „Aufhören? Nein! Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Wenn ich wie jetzt abends bei den Schafen bin, und die so ruhig und zufrieden sind … das geht irgendwie auf mich über“, sinniert er. Und dann findet sie sich doch noch irgendwie ein, die Romantik.
Die Glockenbergsschäferei
Die Glockenbergsschäferei ist seit Ende der 1990er Jahre in Eimke – als Familiensitz mit Stall, gepachteten Flächen, Schafen, Heidschnucken, klugen Schäferhunden und wirklich großen Herdenschutzhunden. Hof und Geschichte sind unter www.glockenbergsschaeferei.com zu finden.
Heidschnucken sind die Hits der Heide, wesentlich populärer als das gemeine Schaf. Nichtsdestotrotz: Sie gehören ebenfalls zur Gattung der Schafe. Das Wort „Schnucke“ leitet sich, so eine Erklärung, von Schnökern ab (mittelhochdeutsch „naschen“). Heidschnucken „naschen“ von der Heide - ein bisschen hier und ein bisschen dort.
Begegnungen mit Schäfern
Ellerndorfer Wacholderheide:
Heidschnucken der Glockenbergsschäferei samt Schäfer, Ziegen und Hunden im Spätsommer.
Landschaftsschutzgebiet „Schneverdinger Höpen“:
Anfang April bis Ende Oktober im „unteren Schafstall“, Austrieb täglich gegen 10.30 Uhr, Rückkehr zwischen 17.30 Uhr und 19 Uhr.
Misselhorner Heide bei Hermannsburg:
zwischen Mai und Oktober Schnuckeneintrieb montags bis donnerstags gegen 17 Uhr (der Schafstall befindet sich ca. 250 Meter vom Wanderparkplatz Misselhorner Heide).
Naturpark-Informationsstelle Schneverdingen:
Von Mai bis Oktober ein „Tag mit dem Schäfer“ (36,50 €, inklusive Lunchpaket, pro Person. Infos: www.schneverdingen-touristik.de)
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